Frankreich freut sich über das erste Weltkulturerbe in der Bretagne. Die Steinreihen von Carnac und die Megalithlandschaft der bretonischen Südküste am Golf von Morbihan stehen seit diesem Sommer auf der offiziellen Liste der UNESCO. Für die Grande Nation ist es bereits die 54. Weltkulturerbestätte.
Insgesamt sind es 550 Megalithstätten auf der Halbinsel im Atlantik, die von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt wurden. Entscheidend für die Aufnahme der bis zu 7.000 Jahre alten Megalithen in die Liste waren dabei einerseits die Vision, die Organisation und das technische Know-how der Gesellschaften im Neolithikum und andererseits der Reichtum der Gravuren auf den Steinen und die Monumentalität der jungsteinzeitlichen Bauten.
Einzigartig in Anzahl, Größe und Vielfalt
Nirgendwo auf der Welt findet sich eine größere Anzahl an Menhiren auf derart engem Raum – sei es alleinstehend, in einer Gruppe oder in Reihen. Die am vollständigsten erhaltenen Formationen ziehen sich dabei an der südlichen Atlantikküste der Bretagne von Carnac bis La Trinité-sur-Mer. Nicht weniger als 3.000 Menhire folgen hier in zehn bis 13 Steinreihen aufeinander – verteilt über vier Kilometer und unterteilt in die vier Gruppen Le Ménec, Kermario, Kerlescan und Petit Ménec.
Besonders auffällig durch seine Größe ist der 300 Tonnen schwere und 20 Meter hohe, in vier Teile zerbrochene Menhir von Locmariaquer an der Küste des Golfs von Morbihan. Ursprünglich gehörte er zu einer Anordnung von 18 Megalithen, von denen er als einziger erhalten ist.
Welche Umstände dazu führten, dass der ehemals aufrechtstehende Menhir umfiel und zerbrach, ist bis heute ungeklärt. Unweit von ihm befindet sich eine Grabkammer – auch Dolmen genannt. Ihr Inneres ist mit vielfältigen Gravuren und Symbolen – unter anderem von Tierfiguren – überzogen.
Auf der Insel Gavrinis – eine von 42 Inseln im Golf von Morbihan – liegt einer der „Cairn“ genannten Steinhügel. Dieser ragt hoch auf und besteht aus 23 Stelen, die mit einem komplexen System von Linien und Flechtwerken verziert sind. Das Bauwerk ist so raffiniert, dass es auch als „Sixtinische Kapelle des Neolithikums“ bezeichnet wird.
Tief mit der Bretagne verbunden
Bereits seit zehn Jahren gab es in der Bretagne Bestrebungen, die 550 Megalithstätten in Carnac und am Golf von Morbihan in die Liste der UNESCO aufnehmen zu lassen. 2024 wurden sie der offizielle Kandidat Frankreichs und dürfen sich nun gemeinsam mit anderen Megalithstätten wie Stonehenge in die UNESCO-Weltkulturerbestätten der Menschheit einreihen.
Das Ziel ist es nun, diese schützenswerte Landschaft der Bretagne zu erhalten, Wissen zu teilen und das kulturelle Erbe der Region über die Landesgrenzen hinaus verantwortungsvoll und sensibel bekannter zu machen. Dazu gehört auch, dass das Wort „Menhir” aus dem Bretonischen stammt – „men” für Stein und „hir” für lang. Die ganze Welt spricht also ein bisschen Bretonisch, wenn sie die langen, aufrecht stehenden Hinkelsteine als „Menhir” bezeichnet.
Weltkulturerbe hautnah und zwischen Schafen
So vielseitig wie die Megalithstätten der Bretagne sind auch die Möglichkeiten, sich auf deren Spuren zu begeben. Wer tief in die Geschichte eintauchen möchte, sollte das Prähistorische Museum oder das Haus der Megalithen in Carnac besuchen, wo auch deutschsprachige Führungen und Audioguides angeboten werden. Wer Carnac weitestgehend für sich haben und nur mit ein paar Schafen teilen möchte, die die Anlage pflegen, kommt am besten in der Nebensaison im Frühjahr und Herbst.
Auf 2.000 Kilometern umrundet der Küstenwanderweg GR34 die gesamte bretonische Halbinsel und nimmt dabei jede Landspitze, jeden Leuchtturm und jeden Menhir am Meer mit. Wer dem Küstenpfad mit der rot-weißen Beschilderung am Golf von Morbihan im Süden der Bretagne folgt, entdeckt also neben weißen Sandstränden, Austernparks und Salzwiesen auch die von der UNESCO ausgezeichneten Megalithstätten.
Zur Insel Gavrinis geht es in ein paar Minuten mit der Fähre von Larmor-Baden und Port-Navalo sowie im Sommer auch von Vannes, Locmariaquer und der benachbarten Mönchsinsel Ile aux Moines. Wer es sportlicher mag, kann auch eine Kajaktour mit Guide buchen.
Autorin: Elisabeth Kapral
Als Juristin hat Elisabeth gelernt, exakt zu formulieren. Das kommt ihr jetzt zugute, wenn sie für travel4news schreibt. Worüber sie schreibt, weiß sie dabei ganz genau, denn sie hat bereits 108 der 193 in der UNO vertretenen Länder besucht – und viele von ihnen auch mehrfach.