Für ein authentisches Musikerlebnis Irland braucht es weder Festivals noch große Konzerte – und auch keine besondere Jahreszeit. Denn so gut wie jeder der rund 6.000 Pubs auf der Insel ist nicht nur ein öffentliches Wohn- und Esszimmer, sondern auch ein Musikzimmer. Eine Bühne für Jung und Alt, Einheimische wie Besucher.
Dabei gibt es unterschiedliche Ausprägungen. Einmal heizt ein singender Sologitarrist dem Publikum ein, einmal eine angekündigte Combo. Ganz oft setzt sich aber auch eine Handvoll Leute einfach an einen Ecktisch, stimmt ihre Instrumente – bevorzugt Gitarre, Tin Whistle, Fiddle, Akkordeon, Uilleann Pipes, Harfe und Bodhrán – und schon geht es los. Ganz ohne feste Bühne oder aufwändige Technik.
Wenn das ganze Pub mitsingt
Diese Sessions sind nicht unbedingt für ein Publikum gedacht, sondern eher ein Zeitvertreib für die Musiker. Gäste sind stets willkommen, zuzuhören, mitzusingen oder gar mitzuspielen. All das kann zu unvergesslichen Momenten führen. Pub-Besucher klopfen im Takt auf den Tisch, wippen mit den Füßen oder greifen selbst zum Instrument. Wer Lust hat, tanzt dazu oder singt. Darauf haben meist viele Lust.
Evergreens wie „Dirty Old Town“, Whiskey in the Jar“ und „Grace“ werden mitunter regelrecht geschmettert – und wenn der ganze Schankraum bei der traurig-hymnischen „Fields of Athenry“ einstimmt, ist Gänsehaut garantiert. Besonders in den Pubs der Musikhochburgen Galway, Dublin und dem für seine traditionelle Musik bekannten Doolin lässt sich der irische Spirit hautnah erleben – ebenso wie in Belfast, das von der UNESCO gar zur „City of Music“ geadelt wurde.
Ein gelungenes Musikerlebnis
Es gibt Adressen, die besonders herausstechen. „Lonely Planet” empfiehlt in seiner Kategorie „Follow the Music“ etwa den mehr als 100 Jahre alten „De Barra’s Folk Club” in Clonakilty im County Cork als Top-Location. In der Begründung heißt es, dass er mit seinen fast täglichen Konzerten als einer der besten unabhängigen Musikclubs Irlands gilt.
Ein weiterer, legendärer irischer Musikclub ist „Matt Molloy’s” in Westport am „Wild Atlantic Way”. Gegründet wurde er vom gleichnamigen Musiker und Flötist der legendären „Chieftains”. Molloy tritt neben vielen anderen Künstlern auch ab und zu selbst auf.
Im Übrigen sprechen sich auch andere Medien für herausragende Pubs aus. So bezeichnete das Magazin „Time Out” das „The Cobblestone” als das Herz traditioneller irischer Musik in Dublin. Ebenfalls ausgezeichnet bewertet wird das „Peadar O’Donnell’s” im nordirischen Derry~Londonderry. Dessen abendliche Musik – eine Mischung aus traditionellen Songs, Folk und Mitsing-Sessions – dringt oft bis auf die Straße und sorgt dort für Partystimmung.
Etwas gediegener, aber dank Holzvertäfelung und dem offenen Kamin ungemein stilvoll und authentisch, geht es in „Buckley’s Bar” in Killarney zu – ein heißer Tipp für unerwartete beste Abende. Die abendlichen Trad-Sessions finden oft spontan statt, wobei nicht selten einige der besten Musiker des County Kerry vorbeischauen.
Die letzte Empfehlung betrifft das „Reel Inn” in Donegal. In dem kleinen, traditionellen Pub begeistert nicht nur der Blick vom Außenbereich auf den Fluss und Donegal Castle, sondern die Vielzahl an Sessions und Auftritten von Folk- und Trad-Sängern und ‑Musikern. Hier spielt die Musik an allen sieben Tagen der Woche.
Musikhochburg Belfast
Wer sich auf den preisgekrönten „Belfast Traditional Music Trail” und in die Hände eines ausgewiesenen Guides begibt, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Unglaublich, welche musikalischen Größen die nordirische Hauptstadt hervorgebracht hat – allen voran „Brown Eyed Girl“-Ikone Van Morrison, die „Stiff Little Fingers” und „Snow Patrol”.
Auch die Weltpremiere des Jahrhundertsongs „Stairway to Heaven“ von „Led Zeppelin” fand hier 1971 am Lagan statt. Der Trail, bei dem man auch traditionelle irische Instrumente kennenlernt, beginnt im Pub „Madden’s”, das selbst eine Berühmtheit ist und als stimmungsvoller Ort für regelmäßige, traditionelle Sessions gilt.
Welthits aus Irland
Wenn gerade keine Live-Musik ertönt, ist es trotzdem nie still im Pub. Dann laufen über die Boxen meist die Songs weltweit bekannter irischer Künstler – und davon gibt es einige. Die Kultband „The Dubliners” ebnete bereits in den 1960er-Jahren den Weg für den Erfolg irischer Volksmusik. Auch „The Chieftains” verbinden perfekt die tief verwurzelte Tradition mit modernen Einflüssen.
„The Pogues” stehen für rebellischen Punk, „Enya” für feenartige Klänge, die „Cranberries” für einen Mix aus Rock und Irish Folk, der aktuell sehr erfolgreiche Künstler „Hozier” begeistert mit Blues- und Independent-Songs und Sinead O’Connor („Nothing Compares to You“) ist ohnedies mit nichts zu vergleichen.
Wer eine Tour durch die legendären Windmill Lane Studios in Dublin unternimmt, begegnet noch zahlreichen weiteren Hochkarätern der nationalen wie internationalen Musikszene – und natürlich auch U2. Die 1976 in Dublin gegründete Band, die hier auch einige Alben aufgenommen hat, zählt seit Jahrzehnten zu den bedeutendsten Irland-Exporten.
Autorin: Elisabeth Kapral
Als Juristin hat Elisabeth gelernt, exakt zu formulieren. Das kommt ihr jetzt zugute, wenn sie für travel4news schreibt. Worüber sie schreibt, weiß sie dabei ganz genau, denn sie hat bereits 108 der 193 in der UNO vertretenen Länder besucht – und viele von ihnen auch mehrfach.