Im Lough Derg im County Clare im Westen von Irland liegt eine nur 16 Hektar kleine Insel, deren kulturelle Bedeutung jedoch enorm ist: Inis Cealtra – übersetzt „Heilige Insel“ – gilt als eine der berühmtesten Klosteranlagen des Landes, die von einer faszinierenden Zeit vor rund 1.500 Jahren erzählt.
Von der historischen Bedeutung zeugen die mystischen Überreste von sechs kleinen Kirchen, eines Rundturms, einer Klosterzelle und eines Friedhofs, von denen sich die mit einem Boot übersetzenden Besucher bei täglichen Touren ein Bild machen können.
Dieses wird durch ein neues, erst im Sommer eröffnetes Besucherzentrum noch deutlich schärfer. Schließlich ermöglicht das architektonische Schmuckstück, das gegenüber am Ufer des drittgrößten irischen Sees liegt, aufschlussreiche Einblicke in die bis ins 6. Jahrhundert zurückreichende Geschichte der „Heiligen Insel“, auf der einst Mönche lebten und Könige beteten.
Von virtuellen Reisen und echten Legenden
Davon und von vielen weiteren Aspekten erzählt eine beeindruckende Multimedia-Ausstellung, die mit modernster digitaler Technik zum Leben erweckt, was auf der kleinen Insel zu sehen und auch nicht (oder nicht mehr) zu sehen ist. So ermöglicht ein Virtual-Reality-Erlebnis den Gästen, durch ein rekonstruiertes frühmittelalterliches Kloster zu wandeln. Weiters werden spannende Informationen rund um Entstehung, Funktion und Schicksal der Klosterruinen, der Grabstätten und des Rundturms vermittelt.
„Dieses Zentrum ist mehr als ein Gebäude. Es ist ein Erlebnisraum, der die Geschichte Irlands greifbar macht. Inis Cealtra war schon immer ein Ort des Übergangs – von Diesseits zum Jenseits, von Geschichte zu Legende. Nun wird sie auch zu einem Ort der Begegnung.“
Joe Cooney, Vorsitzender des Clare County Council
Das Tor zur Insel
Gleichzeitig dient das Besucherzentrum unweit des malerischen Dorfes Mountshannon als Kontrollpunkt für einen geregelten Zugang zur Insel. Denn der Schutz dieses einzigartigen Kulturerbes hat oberste Priorität. Daher ist es das Ziel, Inis Cealtra zugänglich zu machen, ohne sie zu gefährden.
Das Zentrum fungiert dabei als Filter, in dem die Besucher das meiste bereits erleben, bevor sie überhaupt einen Fuß auf die Heilige Insel setzen. Das können sie dann zum Beispiel mit dem Historiker Gerard Madden tun, der zwischen April und Ende September jeden Tag von Mountshannon nach Inis Cealtra fährt und dort über die Insel führt.
Ein Gewinn für die Region
Das knapp fünf Millionen Euro teure und maßgeblich durch den Rural Regeneration and Development Fund finanzierte Besucherzentrum wird als Leuchtturmprojekt einer größeren Initiative zur Förderung des nachhaltigen Tourismus in der Region angesehen. So markiert es nicht nur eine Bereicherung für Irlands kulturelles Erbe, sondern soll auch wirtschaftliche Impulse für „Ireland‘s Hidden Heartlands“ setzen.
Unter diesem Begriff – zu Deutsch „Irlands herzliche Mitte“ – versteht man die neun, im Zentrum des Landes gelegenen und durchwegs ländlich geprägten Countys, die an den Shannon grenzen. Da Irlands längster Fluss durch den 118 Quadratkilometer großen Lough Derg fließt, liegt Inis Cealtra nicht nur in einem See, sondern irgendwie auch in einem Fluss.
Sagenhafte Geschichte
Ein so lang besiedelter und mystischer Ort wie Inis Cealtra liefert natürlich viel Material für Legenden. Auf Platz eins steht die Story, warum das Dach des Rundturms nie fertiggestellt wurde. Angeblich hat eine Hexe den mit dem Bau betrauten Steinmetz verflucht, denn dieser hatte sich der Sage nach derart über das ignorante Nicht-Grüßen der Frau geärgert, dass er einen Hammer nach ihr schleuderte. Beim Aufprall soll sich die Hexe in Stein verwandelt haben – genauer in den „Standing Stone”, der bei der Inseltour zu besichtigen ist.
Kurz darauf wurde der Steinmetz derart krank, dass er den Turm nicht fertigstellen konnte und dieser bis zum heutigen Tage ohne Dach auskommen muss – wahrscheinlich aufgrund des Hexenfluchs. Eine weitere Legende besagt, dass Inis Cealtra einst durch einen Damm mit dem Festland verbunden war. Auch soll es unterirdische Verbindungstunnel gegeben haben. Belegt werden konnte bisher aber keine dieser Theorien.
Was sonst noch los ist im County Clare
Mountshannon ist nicht nur als Gateway für Inis Cealtra bekannt, sondern auch für seine lebendige Kunst- und traditionelle Musikszene sowie als beliebtes Beobachtungsgebiet von Vögeln – insbesondere Seeadlern. Das Dorf eignet sich auch als idealer Ausgangspunkt für Wasseraktivitäten am „Lough Derg Blueway” – etwa Hausboot‑, Kanu- und Kajakfahren sowie Surfen und Schwimmen. Der Strand von Mountshannon bürgt mit der Blauen Flagge für hohe Wasserqualität und Sicherheitsstandards.
Wer lieber für mehrere Tage zu Fuß unterwegs ist, nimmt sich den „East Clare Way” vor. Der 172 Kilometer lange Rundwanderweg überquert Berge, führt an Seen vorbei und durch zerklüftete Moorlandschaften und verläuft durch hübsche Dörfer wie Scariff und Killaloe. Zum Craggaunowen Castle ist es nur ein kurzer, aber lohnenswerter Abstecher. Dort offenbart eine Burg aus dem 16. Jahrhundert ihre reiche Geschichte.
Bei der „Living Past Experience” erfahren die Besucher, wie die alten Kelten einst in der Bronzezeit lebten. In einer gut gemachten Nachbildung einer Siedlung erwecken ansässige Kunsthandwerker die Geschichte mit Vorführungen von Weberei, Schmiedekunst, Holzbearbeitung und Geschichtenerzählen zum Leben. Zu den weiteren Attraktionen des County Clare gehören das Bunratty Castle sowie der Leuchtturm Loop Head nahe der berühmten Cliffs of Moher.

Autorin: Elisabeth Kapral
Als Juristin hat Elisabeth gelernt, exakt zu formulieren. Das kommt ihr jetzt zugute, wenn sie für travel4news schreibt. Worüber sie schreibt, weiß sie dabei ganz genau, denn sie hat bereits 108 der 193 in der UNO vertretenen Länder besucht – und viele von ihnen auch mehrfach.





