Am kürzesten Tag des Jahres – zur Wintersonnenwende – offenbart sich in Irland an zahlreichen historischen Orten ein besonderes Naturschauspiel. Schon vor Tausenden von Jahren richteten die Bewohner der Insel ihre Bauwerke nach dem Stand der Sonne am kürzesten Tag des Jahres aus.
„Winter Solstice” – auf Irisch „Grianstad” – nennt man den Tag des 21. Dezember. Diese Bezeichnung geht auf den Glauben der Menschen früherer Generationen zurück, dass die Sonne zwischen Mitte und Ende Dezember stillsteht. So gibt es bis heute zahlreiche Orte, deren Besuch sich an diesem Tag besonders lohnt.
Der berühmteste und ohne Frage eindrucksvollste Ort unter ihnen ist gleichzeitig eines der ältesten Bauwerke überhaupt auf der Insel: Das Ganggrab von Newgrange ist UNESCO-Weltkulturerbe und Teil des jahrtausendealten Ensembles „Brú na Boinne”, das nur eine Stunde nördlich von Dublin liegt und bis in die Jungsteinzeit zurückreicht.
Wie perfekt es den Erbauern gelungen ist, das Bauwerk an der Sonne auszurichten, zeigt sich jedes Jahr um den 21. Dezember, wenn bei entsprechendem Wetter die Sonnenstrahlen am Morgen durch einen schmalen Spalt fallen und eine Kammer des Hügelgrabs auf eine besonders faszinierende Weise in weiches Licht hüllen.
Traditionell kommen an diesem Tag viele Menschen aus dem gesamten Land und der halben Welt nach Newgrange. Das Spektakel live und in Farbe dürfen aber nur einige wenige Losgewinner pro Jahr täglich zum Sonnenaufgang zwischen dem 19. und dem 23. Dezember erleben. Der Tag gilt dabei auch als Symbol für den Neubeginn, der mit der Rückkehr des Lichts eingeleitet wird.
Eine weitaus weniger bekannte und noch dazu kostenlose Alternative bildet das deutlich kleinere Ganggrab von Knockroe im County Kilkenny. Dennoch ist das ungewöhnliche Monument vor allem wegen seiner megalithischen Kunst nicht weniger beeindruckend. Da Knockroe über zwei Kammern verfügt, gibt es zur Wintersonnenwende zudem sogar zwei Naturschauspiele pro Tag – zum Sonnenaufgang in der östlichen und zum Sonnenuntergang in der westlichen Kammer.
Wer auf der Suche nach ungewöhnlichen Lichtstimmungen am Tag der Wintersonnenwende ist, wird jedoch nicht nur rund um die Ganggräber auf der irischen Insel fündig. Auch der legendäre Hill of Tara, auf dem früher die irischen Könige ihren Sitz hatten, und die vielen „stehenden Steine“ – darunter Steinkreise und Dolmen – zeigen sich an genau diesem Tag in einem besonderen Licht.
Ein beliebter Ort, der die wichtige Rolle des Sonnenuntergangs an diesem symbolischen Tag demonstriert, ist der Druidenring „Drombeg Stone Circle” aus der Bronzezeit im County Cork, den die irische Bevölkerung gern als ihr „kleines Stonehenge” bezeichnet. Hier fällt die untergehende Sonne in einem besonderen Winkel auf den liegenden Stein des Steinkreises, was in einer geselligen Atmosphäre mit Musik zelebriert wird.
Dass sich der Tag der Wintersonnenwende magisch anfühlen kann, demonstrieren auch einige Orte in Nordirland. So befindet sich etwa unweit des Gipfels des 573 Meter hohen Slieve Gullion im County Armagh das höchstgelegene bis heute erhaltene Ganggrab der Insel, wo der Sonnenaufgang an den Tagen der „Winter Solstice” in einer besonders schönen Lage für spektakuläre Momente sorgt.
Unweit von Cookstown in den Sperrin Mountains im County Tyrone liegen auch die Steinkreise von Beaghmore, an denen sich die Menschen auch zur „Summer Solstice” um den 21. Juni einfinden. Hier bietet sich zudem ein nächtliches Erlebnis an, um mehr über die prähistorischen Bräuche der Insel und die dazu gehörenden archäologischen Funde zu erfahren: Die Führungen zum Thema „Stars and Stones” beginnen bei den Beaghmore Stones und enden in der Sternwarte OM Dark Sky Park, wo sich der Nachthimmel zu jeder Jahreszeit perfekt dazu eignet, einen Blick in die Sterne zu werfen.
Autorin: Elisabeth Kapral
Als Juristin hat Elisabeth gelernt, exakt zu formulieren. Das kommt ihr jetzt zugute, wenn sie für travel4news schreibt. Worüber sie schreibt, weiß sie dabei ganz genau, denn sie hat bereits 108 der 193 in der UNO vertretenen Länder besucht – und viele von ihnen auch mehrfach.